Gin hatte gute Laune, obwohl bereits am Abend der Schnee einsetzte und die Straßen von Tokyo in ein Chaos stürzen würde. Während andere ihren Wagen von den weißen Massen befreien mussten, wähnte sich sein Porsche in Sicherheit. Eine Garage konnte Wunder wirken.
James starrte auf den Kalender an der Wand in seiner Küche. Während er auf den nächsten Monat umblätterte, seufzte er. Vor vielen Jahren hatte er Ideale gehabt, glaubte sogar, dass sie die gefährliche Gruppierung in nur wenigen Monaten in Gewahrsam nehmen würden.
Mit einem Glas Rotwein stand Jodie am Fenster und blickte in die beleuchtete Dunkelheit. Einige ihrer Nachbarn waren nicht zu Hause und feierten mit ihren Liebsten auswärts, andere luden die Familie zu sich ein.
Tokyo im Winter war ein magischer Ort, egal zu welcher Tageszeit.
Immer in Eile. Immer unter Beobachtungen. Nur wenig Freiraum und trotzdem ist dies derzeit mein Leben. Ein Leben, mit dem ich schon seit einigen Jahren klarkommen muss.
Im Schutz der Dunkelheit beobachtete Vermouth – die in Wahrheit die Schauspielerin Sharon Vineyard war – das Haus der Familie Starling. Ein Foto des Hausherren hing an ihrem Rückspiegel. Ein rotes X zierte sein Gesicht und stellte ihr aktuelles Ziel dar.
Shuichi, ich liebe dich!
Es war Jahre her, seit er diese vier Worte aus ihrem Mund gehört hatte.
Ich liebe dich!
Er erinnerte sich noch ganz genau an den Klang ihrer Stimme, wenn sie jene Worte aussprach.
Nervös und voller Unbehagen saß Angela auf dem Sofa in ihrem Hotelzimmer und starrte auf ihre Hände. In ihrem Magen rumorte es, obwohl sie seit Stunden nichts mehr zu sich nehmen konnte. Die Sorge um ihren Mann trieb sie nahezu in die Verzweiflung, aber sie musste stark sein.
Jodie seufzte leise auf. Sie war gefrustet und fühlte sich gedemütigt. Immer war ihnen die Organisation einen Schritt voraus und es war egal, was sie taten. Sie schafften es einfach nicht. Und dann war da noch Shuichi.
Als Jodie die Nachricht ihres Kollegen bekam, war sie in Alarmbereitschaft. Sie wusste zwar, dass Shuichi häufig in der Nacht tätig war, aber er hatte sie nie als Hilfe angefordert und schon gar nicht zu sich nach Hause gebeten.
Immer wenn Jodie eine neue Idee ausbrütete, bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie es nicht ohne Hilfe schaffte. Und dann rief sie immer Shuichi an. Nur war es dieses Mal schlimmer. Sie wollte backen. Kekse zum Weihnachtsfest.
Ein wenig nervös stand Jodie vor der Tür der Kudo-Villa und klingelte. Hoffentlich ist er zu Hause. Es war nicht der erste Abend an dem sie vor der Tür stand und klingelte. Leider war er jedes Mal nicht zu Hause oder öffnete die Tür einfach nicht.
Sie hatten wirklich großes Glück gehabt. Einen Kopfschuss überlebt nicht jeder, hörte Jodie auch Wochen später die Worte ihres Arztes. Es war schon lange her, seitdem Jodie an jenem Tag überfallen wurde.
Jodie hörte ein Piepen. Es begann ganz leise und wurde dann immer lauter. Das Geräusch wurde unerträglich und sie hatte keine Ahnung, wie sie es ausschalten konnte. Außerdem kreischte es in ihrem Kopf. Jodie fühlte sich benebelt und hatte keine Ahnung, was passiert war.
Hätte Jodie bereits am frühen Morgen gewusst, wie der ganze Tag verlaufen würde wäre sie im Bett liegen geblieben. Normalerweise mochte sie Weiterbildungen, allerding war es beim FBI relativ schwer gewesen, an einer teilnehmen zu können.
Was ihren Geburtstag anging, war Jodie schon immer Zwiegespalten gewesen. Bis zu einem Alter von sechs Jahren liebte sie ihre Geburtstage, danach fühlte sie sich nicht mehr in der Lage ihren Geburtstag zu feiern und glücklich zu sein.
Jodie streckte sich. Sie war froh über den Feierabend und darüber sich bald entspannen zu können. Ein warmes Bad würde den Abschluss des Tages bringen, doch vorher traf sie sich noch mit Shuichi. Er hatte bereits mehrfach angedeutet, dass sie einen Trinken gehen würden.
Jodie war über einem Berg voller Akten eingenickt. Ihr Kopf schmerzte und sie musste noch alle Informationen verarbeiten. Hätte sie gewusst, worin das Treffen mit Shuichi und James gipfeln würde, hätte sie sich ganz anders vorbereitet.
Shuichi saß nervös in dem kleinen Büro, welches James in Tokyo gemietet hatte, und starrte auf den Schreibtisch von Jodie. Dieser war immer aufgeräumt. Links hatte sie alle Unterlagen an denen sie gerade aktiv arbeitete oder die sie für weitere Ermittlungen brauchte.
Jodie lebte bereits seit mehr als einem Jahr in Japan. Die Wohnung, die sie seitdem bezog, war sogar zu ihrem neuen zu Hause geworden. Die Räume waren groß und geräumig.
Jodie hatte sich bereits mehrere Tage auf die abendliche Veranstaltung gefreut. Sie mochte derartige Veranstaltungen, aber nicht weil sie gern tanzte, sondern weil sie sich gerne rausputzte.
Als sich Jodie und Shuichi an jenem Morgen zur Lagebesprechung mit James begaben, hatten sie nicht damit gerechnet, wie das Treffen enden würde. James aß gern in einem American Diner und lud seine Agenten auch häufig dorthin ein.
Welches Mädchen liebte keine Pferde oder Ponys? Selbst die härtesten Frauen zeigten als Kinder ihre weiche Seite. Auch Jodie liebte Pferde und freute sich immer, wenn ihr Vater sie zum Ponyhof mitnahm. Es gab sogar ein paar Bilder von ihr auf einem Pferd.
Wenn es schief ging, dann richtig. Die letzten Tage waren eine Katastrophe gewesen. Und es traf nicht nur Jodie. Auch Camel, James und Shuichi hatten mit ihren Problemen zu kämpfen.
Hätte Jodie kein Problem und würde sie nicht zwingend Shuichis Hilfe brauchen, hätte sie ihn nicht angerufen. Glücklicherweise war er direkt ans Telefon gegangen und hatte ihr ruhig zugehört. „Wo bist du?“, wollte er von seiner Kollegin wissen.